Kulturfrühstück vom 07.05.2017
14. Mai 2017Der Verband für Gebärdensprachkultur Köln und Umland e.V. bittet euch um Aufmerksamkeit:
30. Mai 2017FEUER FREI…
…heißt ein neues, weiteres Projekt von uns und wurde am 19.05.17 erfolgreich aus der Taufe gehoben. Ab 18:30h erschien ein erwartungsvolles Publikum aus ca. 70 Personen im Bürgerhaus Deutz und wurde nicht enttäuscht.
Das Thema hieß „stirbt die Gebärdensprache aus?“ und dazu hatte Jan Eichler, der auch als Moderator fungierte, Wolfgang Schmidt, Reiner Griebel und Diana Aleksic als Diskussionsteilnehmer eingeladen, sowie einen spontanen Gast aus dem Publikum.
Um 18:55h begann der Abend mit einer kurzen Filmeinspielung, die sogleich auf breite Zustimmung im Publikum stieß. Darin erklärte Andreas Costrau von Gebärdenservice aus Berlin, dass die Gebärdensprache gleichwertig einer Fremdsprache wäre; gleichwertig und ebenbürtig.
Es erfolgte die Begrüßung des Moderators mit einer kurzen Erklärung über FEUER FREI und dessen Bedeutung; es wird also im Stile von „hart aber fair“ diskutiert und dabei auch kein Blatt vor den Mund genommen. Der darauffolgende Kurzfilm nahm uns mit auf eine Reise durch die Zeit, beginnend mit der Steinzeit, wo Gestik und Mimik quasi als Kommunikationsmittel fungierten, in Ägypten wurde am Hofe des Pharao gebärdet, und endete in der Zukunft mit der Frage „wird die Gebärdensprache mechanisiert?“
Laut einer Umfrage unter Gehörlosen, Schwerhörigen, Spätertaubten und CI-Trägern gaben 51% an, dass sie glauben, die Gebärdensprache stirbt aus. Und schon entbrannte die erste Diskussion unter den Gästen. Diana Aleksic war der Meinung, dass dem nicht so sei, schließlich sei die Gebärdensprache wie jede andere Sprache auch und bleibt somit bestehen. David, der spontane Gast aus dem Publikum, sagte zwar auch, dass die Gebärdensprache bleibt, aber es wäre an der Entwicklung der jüngsten Jahre deutlich erkennbar, dass „weniger Hände zu sehen“ seien. Er führte auch an, dass die Lehrer in den GL-Schulen diesbezüglich ihrer Vorbildrolle nicht gerecht werden.
Selbst in einigen europäischen Ländern, gerade im skandinavischen Raum, wo man immer dachte, dort sind die Verfechter der Gebärdensprache, schließen infolge der Inklusion immer mehr GL-Schulen, zumal auch immer mehr Kinder dort CI-versorgt werden.
Für Wolfgang Schmidt zählt aber mehr die soziale Kompetenz, und wie soll ebendiese gefördert werden, wenn hörende und gehörlose Kinder miteinander lernen? Sprachbarrieren sind vorprogrammiert. Diana Aleksic äußerte sich dazu, indem sie anregt, Gebärdensprache als Pflichtfach an Schulen anzubieten, desweiteren gehörlose Kinder ermutigen, GL-Sportvereine beizutreten, damit sie dort „untereinander ihre Sprache sprechen“ können.
Einen wichtigen Aspekt erläutert Reiner Griebel: durch die UNO – Richtlinie der Menschenrechtskonvention reagieren die Politiker, da diese Konvention festgeschrieben ist. Inklusion ist somit wahrlich ein guter Gedanke, aber die sozialen Kontakte bleiben absolut auf der Strecke. Für die Arbeitswelt ist es akzeptabel, mit Inklusion anzusetzen. Aber nicht im schulischen Bereich.
Warum wird die Gebärdensprache in Schulen nicht so selbstverständlich angesehen wie beispielsweise Englisch oder Französisch? Warum gibt es erst immer einen sogenannten Modellversuch? Und dieser Versuch wird versucht und versucht.. Das Ergebnis? Wie sieht das aus? Reiner Griebel regt an, dass in der schulischen Inklusion anstelle des Dolmetschers eine zweite Lehrperson mit Gebärdensprachkenntnissen eingesetzt werden soll. Die Kinder sollen den Inhalt genauso von einem Lehrer vermittelt bekommen wie die „normalhörenden“ Schüler. „Förderalismus“, entgegnet daraufhin Wolfgang Schmidt. Jedes Bundesland entscheidet selber. Und so auch die Förderzentren.
Jan Eichler präsentiert einen Film des Deutschen Gehörlosen Sportverbandes. Darin erzählen die Athleten während der Deaflympics über ihre sportlichen Erfolge. Auffällig ist jedoch, dass die Athleten in die Kamera sprechen und das Gesagte von einem eingeblendeten Dolmetscher übersetzt wird. da fragt man sich natürlich, wofür der DGSV steht? Wo ist hier die Vorbildfunktion? Wofür steht der DGSV?
Diana Aleksic wertet dies als typisches Verhalten von Gehörlosen gegenüber hörenden Reportern. Wären es gehörlose Reporter, antworten die Sportler automatisch in Gebärdensprache. Hier sind auch wieder die Vereine und Verbände gefragt. Wolfgang Schmidt erläutert dazu, dass es schon typisch ist, sich stets an die hörende Welt anpassen zu müssen. Dies darf nicht geschehen! David ist der Meinung, dass ein solches Verhalten eine pure Fehlinformation an die hörende Welt darstellt.
Damit wir Gehörlose uns nicht unter Wert verkaufen, sollten wir endlich stolz auf unsere Hände sein, fordert Reiner Griebel. Wir müssen weg von dem Gedanken, uns immer an die hörende Welt anzupassen. Unsre Gebärdensprache ist gleichwertig mit der Lautsprache! Das müssen wir verinnerlichen.
Wir müssen weg aus der Stigmatisierung der Behinderung, die Gebärdensprache ist keinesfalls ein Hilfsmittel, wie man oft durch Forschungsarbeiten hörender „Experten“ erlesen kann. Das ist völlig verkehrt! Wolfgang Schmidt ist hierbei der Meinung, Gehörlose müssen ihr eigenes Leben präsentieren und dazu gehört auch die Gebärdensprache. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Klarstellung in der Öffentlichkeit, dass Gebärdensprache nichts mit Gehörlosigkeit zu tun hat und somit nicht als Hilfsmittel fungiert.
Im Schlusswort wird deutlich, dass wir Gehörlose uns öffentlich besser verkaufen müssen, wir brauchen mehr Mut und Erfolgserlebnisse, wie das „Cafe ohne Worte“. Wichtig ist, unsere Türen immer offen zu halten, auf die Hörenden zuzugehen und unsere Sprache als selbstverständlich zu erachten und vor allem uns selbst so akzeptieren, wie wir sind. Dazu ein toller Einwand von David: egal ob hörend oder gehörlos – Mensch ist Mensch!
Unter großem Beifall wird diese äußerst spannende Diskussionsrunde beendet und im Anschluss daran ließ es sich das Publikum nicht nehmen, ehrliche und manchmal auch unbequeme Fragen an die Gäste zu stellen. Aus den Antworten wurde deutlich, dass Gebärdensprache unbedingt als Schulpflichtfach eingesetzt werden soll und es wünschenswert wäre, wenn sich mehr gehörlose in die politische Arbeit einbringen würden. So bekäme unsere Gebärdensprache automatisch mehr Aufmerksamkeit.
Der Moderator entlässt uns mit der Schlussfolgerung, dass die Gebärdensprache nicht ausstirbt, aber es passieren könnte, wenn wir ihr nicht genug Beachtung schenken und sie widerstandslos, heimlich still und leise verschwinden lassen.
Mit der herzlichen Einladung zur nächsten Diskussionsrunde am 06.10.17 unter dem Thema
„Quo vadis – Gehörlosenverbände und -vereine, wohin führt die Entwicklung?“ werden alle verabschiedet.
Fazit: FEUER FREI – wir sind mittendrin!